Ein Affront zum 80. Jahrestag der Befreiung gegenüber allen Angehörigen der Menschen Russlands & Weißrusslands, die für die Befreiung Deutschlands ihr Leben gelassen haben
- Wolfgang Lieberknecht
- vor 16 Stunden
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Offener Brief an den Botschafter der Russischen Föderation und den Botschaftsrat der Republik Belarus zum 80. Jahrestag der Befreiung von Dr. Leo Ensel


Sehr geehrter Herr Botschafter Netschajew,
sehr geehrter Herr Botschaftsrat Shuplyak,
am 8./9. Mai vor 80 Jahren haben die Soldaten der Roten Armee – russische, ukrainische, weißrussische Soldaten sowie Soldaten aus den kaukasischen und zentralasiatischen Sowjetrepubliken – zusammen mit Soldaten der USA, Englands, Frankreichs und anderer Staaten mein Land, Deutschland, von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft befreit. Nach zwölf Jahren hatte dieses barbarische Regime einen Leichenberg von weltweit über 60 Millionen Menschen hinterlassen. Darunter sechs Millionen Juden, die man systematisch ermordet hatte. Hitler-Deutschland hatte diesen verbrecherischen Krieg vom Zaun gebrochen und Hitler-Deutschland hat ihn fast sechs Jahre später verdient verloren.
Die schrecklichsten Verluste von allen Ländern aber hatte die Sowjetunion zu beklagen. Fast 27 Millionen Menschen: Russen, Ukrainer, Weißrussen, Armenier, Georgier, Aserbaidschaner, Kasachen, Usbeken, Kirgisen und Menschen vieler anderer Nationalitäten, nicht zu vergessen die sowjetischen Juden!
Mit großer Scham und Empörung muss ich nun zur Kenntnis nehmen, dass der Bundestag und das Auswärtige Amt nicht nur die offiziellen Vertreter von Russland und Belarus, sondern sogar Russen und Weißrussen generell von den offiziellen Gedenkfeiern zum Ende des Zweiten Weltkrieges ausschließen wollen. Dies ist nicht nur ein Akt fahrlässiger, nein: krimineller Geschichtsvergessenheit, es ist ein Affront gegenüber allen Angehörigen der Menschen dieser Länder, die für die Befreiung Deutschlands ihr Leben ließen.
Es geht nicht an, dass die Soldaten, die vor 80 Jahren für die Befreiung unseres Landes starben, heute aus aktuellen Gründen gegeneinander ausgespielt werden. Und es geht nicht an, dass bei den Gedenkfeiern zwischen guten und bösen, eingeladenen und ausgeladenen Gästen unterschieden wird!
Wenn es überhaupt eine einzige Lehre aus dem grauenhaften Gemetzel des Zweiten Weltkriegs geben kann, dann die:
Niemals wieder dürfen sich die Völker auf dem europäischen Kontinent entzweien!
Niemals wieder darf auf unserem Kontinent mehr Krieg geführt werden!
Und sollte dies – wie heute – schrecklicherweise doch der Fall sein, so muss er schnellstmöglich mit den Mitteln der Diplomatie beendet werden!
Wäre es daher nicht sinnvoll, auf den kommenden Gedenkveranstaltungen statt feierlicher Reden endlich den Satz aller Soldatenfriedhöfe „Die Toten mahnen!“ ernst zu nehmen und genau dort umgehend einen neuen Anfang, einen neuen Dialog zu starten?
Sehr geehrter Herr Botschafter Netschajew, sehr geehrter Herr Botschaftsrat Shuplyak, liebe Russen und liebe Weißrussen, bitte kommen Sie zu den Gedenkveranstaltungen! Sie sind herzlich willkommen, so wie alle anderen offiziellen Vertreter und Bürger der Länder, die Deutschland befreit haben, auch. Nutzen wir alle doch das gemeinsame Gedenken, um über den Gräbern der Toten des vergangenen Krieges endlich wieder ins Gespräch zu kommen und erste Schritte zur Beendigung des gegenwärtigen Krieges und zur Verhinderung künftiger Kriege, zur wechselseitigen Annäherung, zur Entfeindung und zur Versöhnung zu unternehmen!
Ich bin sicher, viele Menschen in Deutschland denken so wie ich.
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