
Es gelte jetzt, die «Resilienz» der Bevölkerung zu stärken – ihre Bereitschaft, die Zumutungen von Krisen und Kriegen zu ertragen. Die unumgängliche zivil-militärische Zusammenarbeit (ZMZ) sei schon «in Schulen zu vermitteln». Einen entsprechenden Mentalitätswechsel» in der Bevölkerung hat bereits vor einem Jahr der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, gefordert. Aus seiner Sicht muss die Bundeswehr «in fünf Jahren kriegstüchtig sein». Repressionen gegen Protest und Widerstand: Wie es im Grünbuch ZMZ 4.0 heisst, müsse im Krisen- und Kriegsfall zunächst der Transport von NATO-Truppen über die «Drehscheibe Deutschland» in Richtung Osten gesichert werden. Das Grünbuch-Szenario geht davon aus, dass die Kriegsvorbereitungen auf Widerstand im eigenen Land stossen. Die Autoren warnen vor Sabotageakten, aber auch vor Protesten, die etwa eine Blockade von Bahngleisen beinhalten könnten. Ähnliches gelte für Häfen und Flughäfen. Um Sabotage und «allgemeine Unruhe» zu verhindern, sieht das Grünbuch umfassende Massnahmen der Repression vor.
Wie sich Deutschland auf einen Krieg vorbereitet
Infosperber/German Foreign Policy / Red. / 5.03.2025 Ein Grünbuch umreisst, was im Kriegsfall auf die Zivilbevölkerung zukommt. Auf medizinische Versorgung könnte sie nicht mehr zählen
Ein von Militärs, Ministerialbeamten und Geheimdienstlern erstelltes Grünbuch ZMZ 4.0 (Zivil-Militärische Zusammenarbeit) skizziert, wie in Deutschland Zivilpersonen im Krisen- und Kriegsfall in die militärische Logistik eingebunden werden sollen. Zu den Aufgaben der Zivilisten zählt etwa die Versorgung verbündeter und eigener Streitkräfte, die durch Deutschland nach Osten ziehen. Im Gesundheitsbereich wird die zivile Infrastruktur primär zur Behandlung verwundeter Soldaten genutzt. Das Grünbuch rechnet mit bis zu 1000 Verletzten pro Tag. Die vorhandenen Kapazitäten würden im Kriegsfall nicht ausreichen, um auch die Zivilbevölkerung im bisherigen – oft schon unzureichenden – Umfang medizinisch zu versorgen, so die Analyse der Grünbuch-Autoren. Zivilisten würden deshalb nur noch «nachrangig» behandelt.
Das Szenario
Das Grünbuch ZMZ 4.0 geht von einem Szenario aus, in dem die Spannungen zwischen Russland und der NATO im Frühjahr 2030 eskalieren. Mehrere grosse NATO-Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und die USA, verlegen mindestens 70`000 Soldaten über deutsches Territorium nach Osten, wo sie russischen Truppen gegenüberstehen. Dabei fungiert Deutschland als «Drehscheibe» für den Transport von Truppen und Material.
«Eine gesamtstaatliche Aufgabe»
Schon bei der Verlegung der Truppen fallen zahlreiche Aufgaben an, die laut ZMZ 4.0 von Zivilpersonen erledigt werden müssen. Unter anderem müsste Deutschland als «Transit- und Gastnation» für durchziehende Truppen Verpflegung, Treibstoffe und «Übernachtungs- und Abstellkapazitäten» bereitstellen. Zu den Aufgaben, zu denen auch Zivilisten eingespannt werden, zählt etwa die Einrichtung sogenannter Convoy Support Center (CSC) – eine Art «Rast- und Sammelplätze für die mit Kraftfahrzeugen marschierenden Truppen», die versorgt werden müssen. Da die regulären Einheiten der Bundeswehr für etwaige Kämpfe im Osten benötigt würden, sei dies «eine gesamtstaatliche Aufgabe», heisst es im ZMZ 4.0. Für den Betrieb der CSC seien ausser «Blaulichtorganisationen» und zivilen Stellen auch «Vertragspartner aus der [privaten] Wirtschaft» heranzuziehen. Dies müsse man schon jetzt «der eigenen Bevölkerung vermitteln».
Medizinische Versorgung: Militär hat Vorrang
Auch im Gesundheitswesen werde man «zwingend auf zivile Versorgungsstrukturen» angewiesen sein, heisst es im ZMZ 4.0. Prinzipiell würden zur Behandlung verletzter Soldaten sämtliche «Akteure des Gesundheitswesens» benötigt – nicht nur Rettungsdienste, Spitäler und Rehabilitationseinrichtungen, sondern auch ambulante Versorgungseinrichtungen, Arztpraxen und Apotheken. Bereits während des Aufmarschs der Truppen in Richtung Osten müsse gemäss Grünbuch-Szenario für «60.000 Soldatinnen und Soldaten … eine (hausärztliche) medizinische Versorgung sichergestellt werden».
Die vorhandenen Kapazitäten im Gesundheitsbereich, die schon jetzt unter Überlastung litten, würden im Kriegsfall nicht ausreichen, um die Zivilbevölkerung im bisherigen Umfang medizinisch zu versorgen, stellen die Autoren des Grünbuchs fest. Das bedeutet auch: Zuerst würden kranke und verletzte Soldaten behandelt, Zivilisten kämen erst an zweiter Stelle.
Die Zivilbevölkerung sei auf die «Reduzierung des Versorgungsniveaus» nicht ausreichend vorbereitet, kritisieren die Grünbuch-Autoren. Sie dringen darauf, organisatorische Vorbereitungen schon jetzt zu treffen und nach Möglichkeit auch Kapazitäten zu schaffen.
Repressionen gegen Protest und Widerstand
Wie es im Grünbuch ZMZ 4.0 heisst, müsse im Krisen- und Kriegsfall zunächst der Transport von NATO-Truppen über die «Drehscheibe Deutschland» in Richtung Osten gesichert werden. Das Grünbuch-Szenario geht davon aus, dass die Kriegsvorbereitungen auf Widerstand im eigenen Land stossen. Die Autoren warnen vor Sabotageakten, aber auch vor Protesten, die etwa eine Blockade von Bahngleisen beinhalten könnten. Ähnliches gelte für Häfen und Flughäfen.
Um Sabotage und «allgemeine Unruhe» zu verhindern, sieht das Grünbuch umfassende Massnahmen der Repression vor. Eskalieren etwa die Spannungen mit Russland, wie es das dem Grünbuch ZMZ 4.0 zugrunde liegende Szenario beschreibt, dann müssten nicht nur Schritte zum Schutz der Verkehrswege und der kritischen Infrastruktur eingeleitet werden, heisst es in dem Dokument. Man müsse auch Vorsorge treffen, dass die mit Sicherheit zu erwartenden Einschränkungen und Belastungen für die Zivilgesellschaft nicht zu «Unruhe» oder gar «politischer Destabilisierung» führten. Dazu seien umfangreiche Aktivitäten der Geheimdienste und deren engere Kooperation mit Polizei und Bundeswehr erforderlich. Der Schutz kritischer Infrastruktur gegen Angriffe «von Extremisten, Terroristen» und «verdeckt operierenden militärischen Spezialeinheiten» erfordere eine «enge Kooperation zwischen Nachrichtendiensten und der Privatwirtschaft».
Militärs verlangen «Mentalitätswechsel»
Zudem gelte es schon jetzt, die «Resilienz» der Bevölkerung zu stärken – ihre Bereitschaft, die Zumutungen von Krisen und Kriegen zu ertragen. Die unumgängliche zivil-militärische Zusammenarbeit (ZMZ) sei schon «in Schulen zu vermitteln». Einen entsprechenden «Mentalitätswechsel» in der Bevölkerung hat bereits vor einem Jahr der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, gefordert. Aus seiner Sicht muss die Bundeswehr «in fünf Jahren kriegstüchtig sein». Dabei gehe es «neben der personellen und materiellen Einsatzbereitschaft» auch um einen «nötigen Mentalitätswechsel, dem wir uns unterziehen müssen». Eine «Gedankenwende» sei erforderlich, und zwar nicht nur in der Bundeswehr, sondern auch «in der Gesellschaft».
Um das erstrebte «Mindset» zu erreichen – die Bereitschaft, einen Krieg aktiv mitzutragen oder doch zumindest passiv hinzunehmen –, gehen seit geraumer Zeit einige Kommandeure der Landeskommandos der Bundeswehr medial in die Offensive, um eine breitere Öffentlichkeit auf die zu erwartenden Einschränkungen und Belastungen vorzubereiten. Dazu trägt aktuell auch die Veröffentlichung des Grünbuchs ZMZ 4.0 bei.
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Weiterführende Informationen
Infosperber vom 16.5.2025: «So führt der Krieg zur Militarisierung Russlands»
25.4.2024: «Operationsplan Deutschland» bereitet auf einen Krieg vor
Sandra Bubendorfer-Licht, Leon Eckert, André Hahn, Günter Krings, Ingo Schäfer (Hg.): Grünbuch ZMZ 4.0 (PDF)
German Foreign Policy: Zivilisten im Krieg (I)
German Foreign Policy: Zivilisten im Krieg (II)
German Foreign Policy: Das Mindset für den Krieg
Junge Welt: «Das deckt gefährliche Planungen auf»
Wie sich Deutschland auf einen Krieg vorbereitet – infosperber
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