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AutorenbildWolfgang Lieberknecht

Justin Pearson: Sie wollten die Demokratie töten, doch sie haben einen schlafenden Riesen geweckt

Afroamerikanische Demokraten gewinnen Mandate in Tennessee zurück. Die Republikaner wollten zwei aufmüpfige schwarze Abgeordnete mundtot machen. Doch Justin Pearson und Justin Jones kämpfen lauter denn je gegen Rassismus und für schärfere Waffenrechte. Und zwei afroamerikanische Demokraten-Politiker, die vor Ostern niemand außerhalb ihrer lokalen Wahlkreise kannte, sind über Nacht zu nationalen Helden und Ikonen einer möglichen neuen Anti-Waffen-Bewegung der Generation Z mutiert. Die Republikaner in Tennessee, analysiert der linke kalifornische Kongressabgeordnete Ro Khanna treffend, hätten versucht, eine Kerze auszublasen: "Stattdessen haben sie ein Feuer entfacht.

Das Votum der Bezirksregierung von Shelby County kam nicht überraschend. Doch als das Gremium Justin Pearson tatsächlich mit klarer Mehrheit zu seinem eigenen kommissarischen Vertreter im Repräsentantenhaus von Tennessee bestimmte, war dies der größte Triumph in der noch kurzen politischen Karriere des 28-Jährigen – und der Wendepunkt einer beispiellosen politischen Affäre, die vor einer Woche mit dem Rausschmiss zweier schwarzer Abgeordneter aus dem Landesparlament begonnen hatte. Kämpferisch reckte Pearson seine rechte Faust in die Höhe. "Sie haben versucht, die Demokratie zu töten, doch sie haben einen schlafenden Riesen geweckt", rief der 28-Jährige mit der markanten Retro-Brille im dunklen Anzug samt Krawatte seinen Anhängern zu. Laute Zustimmung und Jubel waren zu hören, als die großen US-Kabelsender die Szene aus der Nähe von Memphis landesweit live übertrugen.

Nachdem Pearsons Kollege Justin Jones bereits am Montag vom Stadtrat seiner Heimatstadt Nashville vorübergehend wiedereingesetzt worden war, ist das Repräsentantenhaus von Tennessee nun wieder in alter Besetzung komplett. Doch die regierenden Republikaner, die 75 der 99 Abgeordneten stellen, müssen einen gewaltigen Rohrkrepierer verarbeiten. Und zwei afroamerikanische Demokraten-Politiker, die vor Ostern niemand außerhalb ihrer lokalen Wahlkreise kannte, sind über Nacht zu nationalen Helden und Ikonen einer möglichen neuen Anti-Waffen-Bewegung der Generation Z mutiert.




Friedlicher Protest Alles hatte begonnen, als die republikanische Parlamentsmehrheit in Tennessee am vorigen Donnerstag Jones und Pearson ihrer Mandate enthob, weil diese die Ordnung und die Ehre des Kongresses befleckt hätten. Tatsächlich hatten sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Gloria Johnson eine Plenarsitzung unterbrochen, indem sie ungefragt ans Rednerpult gingen und nach dem Schulmassaker von Nashville, bei dem sechs Menschen ums Leben kamen, lautstark schärfere Waffengesetze forderten.

Der republikanische Parlamentssprecher Cameron Sexton fand diesen friedlichen Protest "mindestens vergleichbar, wenn nicht schlimmer" als den Sturm des gewalttätigen rechten Mobs auf das Washingtoner Kapitol und drängte auf den ebenso drakonischen wie ungewöhnlichen Mandatsentzug. Freilich beschloss das Parlament mit Zweidrittelmehrheit nur den Rauswurf der Afroamerikaner Jones und Pearson. Die weiße Abgeordnete Johnson durfte bleiben. Entrüstungssturm Dies habe "möglicherweise etwas mit der Farbe meiner Haut zu tun", prangerte die Demokratin selbst den Rassismus an. Sexton und seine rechten Parteifreunde, die tiefkonservative ländliche Regionen in dem Bundesstaat vertreten, wollten Ruhe in ihrem Parlament. Tatsächlich ernteten sie einen nationalen Entrüstungssturm.

Pearson hat derweil einen leidenschaftlichen Gastbeitrag in der "New York Times" veröffentlicht, in dem er sich in die Tradition des legendären Bürgerrechtlers John Lewis stellt. "Die, die uns zum Schweigen bringen wollten, werden nicht das letzte Wort haben", kündigt der Abgeordnete an. Tatsächlich sind er und sein Kollege Jones derzeit täglich irgendwo im nationalen TV-Programm zu sehen. Der demokratische Senator von Connecticut, Chris Murphy, hat 400.000 Dollar zu ihrer Unterstützung gesammelt. Die Republikaner in Tennessee, analysiert der linke kalifornische Kongressabgeordnete Ro Khanna treffend, hätten versucht, eine Kerze auszublasen: "Stattdessen haben sie ein Feuer entfacht." (Karl Doemens aus Washington, 13.4.2023)

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