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Wachstum durch Aufrüstung! Peoples Dispatch: Rechtsextreme und Militarismus bei den Bundestagswahlen auf dem Vormarsch

Autorenbild: Wolfgang LieberknechtWolfgang Lieberknecht

Die rechtsextreme AfD steigt zur zweitstärksten Partei in Deutschland auf, während antimilitaristische Stimmen aus dem Parlament verdrängt werden. Letztlich verschiebt sich das politische Establishment in Deutschland weg vom austeritätsgetriebenen "neoliberalen" Modell hin zu einer Form des "Kriegs-Keysianismus", um den Herausforderungen der "neuen Ära" gerecht zu werden. Die Wirtschaftskrise soll durch "Wachstum durch Aufrüstung" überwunden werden, wie es das Handelsblatt wenige Tage vor der Wahl formulierte.


Friedrich Merz und CDU-Anhänger feiern am Sonntag, 23. Februar. Foto: CDU / Tobias Koch


Bei der Bundestagswahl am Sonntag hat die Christlich Demokratische Union (CDU) die Nase vorn. Während CDU-Chef Friedrich Merz wahrscheinlich der neue Kanzler sein wird, verzeichnete seine Partei das zweitschlechteste Ergebnis seit der Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949. Mit 28,5 Prozent ist die Partei heute weit weniger beliebt als auf dem Höhepunkt der Merkel-Jahre, als sie über 40 Prozent erhielt (2013). Die andere traditionelle Volkspartei, die Sozialdemokraten (SPD), erzielte mit nur 16,4 % ihr schlechtestes Ergebnis seit über 130 Jahren. Auch die Grünen und die liberal-demokratische FDP, die beide bis November 2024 gemeinsam mit der SPD regierten, mussten deutliche Verluste hinnehmen. Die FDP hat es nicht über die 5-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament geschafft.


Rechtsextremer Aufschwung

Im Gegensatz zu den Parteien der Mitte hat die extreme Rechte historische Zugewinne verzeichnet. Die Alternative für Deutschland (AfD) wird nun mit über 20 Prozent und damit einer Verdoppelung ihres Stimmenanteils die zweitstärkste Kraft im Parlament. Die Partei, deren traditionelle Unterstützerbasis das Kleinbürgertum ist, konnte vor allem aus der Jugend, der Arbeiterklasse und den Arbeitslosen Kraft schöpfen. Von den abgegebenen Stimmen der 18- bis 24-Jährigen gewann die AfD 14 Prozent mehr als noch vor vier Jahren. Ein ähnliches Muster zeigte sich bei den 25- bis 34-Jährigen. In Ostdeutschland war die Partei mit Abstand die stärkste politische Kraft und gewann jede dritte Stimme.


Die AfD wurde 2013 von ehemaligen rechten CDU-Mitgliedern gegründet, die eine euroskeptische und wirtschaftsliberale Partei anstrebten. Seitdem hat sie sich zu einem Sammelpunkt für rechtsextreme und faschistische Kräfte entwickelt und ist gleichzeitig in der politischen Landschaft Deutschlands akzeptiert. Bei der Wahl am Sonntag hatte die AfD mit Parolen für mehr Diplomatie und ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine Unterstützung gewonnen. Doch mit ihrer Forderung, mehr als 5% des BIP für das Militär auszugeben und eine taktische Pause im Krieg gegen Russland zu unterstützen, vertritt die AfD eine ähnliche Position wie Trump in Bezug auf die europäische Außenpolitik. Dies trug dazu bei, dass die AfD von den höchsten Kreisen des politischen Establishments in den USA (Musk, Vance und andere) bei den Wahlen unterstützt wurde.


Wahlen inmitten der Krise

Die Wahlen am Sonntag fanden vor dem Hintergrund der Rezession in Deutschland, einer massiven Sparwelle und der Hysterie um Russland und Migration statt. Die polarisierte politische Landschaft trieb die Wahlbeteiligung in die Höhe, die am Sonntag bei 83 % lag und damit deutlich über dem Niveau von 2021 (76,4 %) lag.


Ein unerwartetes Ergebnis gelang der Partei Die Linke. Bis vor wenigen Wochen deuteten Umfragen darauf hin, dass die Partei die für den Einzug ins Parlament erforderliche 5-Prozent-Hürde nicht schaffen würde. Mit 8,8% konnte die LINKE ihren Stimmenanteil um fast 4% steigern.


Dieser Erfolg in letzter Minute beruht vor allem auf der Fähigkeit der Linken, sich als einzige Partei zu profilieren, die nicht explizit gegen Migranten und Asylbewerber hetzt. Nur drei Wochen vor der Wahl hatte die CDU einen Gesetzentwurf zum harten Vorgehen gegen Migranten eingebracht und sich dabei zum ersten Mal im Bundestag umstritten auf die Unterstützung der AfD verlassen. SPD und Grüne stimmten zwar gemeinsam mit der LINKEN gegen den Gesetzentwurf, konkurrieren aber ansonsten mit CDU und AfD, um sich als "hart gegen Migration" zu beweisen.


Viele im Jugendflügel von Grünen und SPD wandten sich der Partei Die Linke zu, um auf die rassistische Demagogie ihrer Parteiführung zu reagieren. Das Pro-Asyl-Image und die abgewendete Anti-AfD-Haltung verhalfen der LINKEN zu deutlichen Zugewinnen bei der Jugend und der städtischen Bevölkerung. Vor allem in den Universitätsstädten Westdeutschlands, in denen die Grünen zuvor starke Ergebnisse erzielt hatten, konnte die LINKE deutliche Zugewinne einfahren. In Ostdeutschland konnte die Partei dagegen ihre großen Verluste aus dem Jahr 2021 nur leicht verbessern.


Dies spiegelt eine deutliche Verschiebung der Wählerbasis der Linken wider, weg von der Arbeiterklasse im Osten und hin zu einer jungliberalen Generation im Westen.


Antimilitaristische Stimmen aus dem Parlament gedrängt

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – eine Abspaltung von der Linken – verpasste die 5-Prozent-Hürde nur um 13.500 Stimmen. Nach über einem Jahrzehnt im Parlament werden Wagenknecht und ihre Mitgliedsverbände damit nicht mehr zurückkehren. Bei den Landtagswahlen 2024 erzielte die neue Partei beeindruckende Ergebnisse, verlor aber bei der Bundestagswahl an Schwung.


Der Wahlkampf des BSW basierte weitgehend auf Antimilitarismus und einer Vision einer sozialdemokratischen Marktwirtschaft. Die Partei hatte jedoch gemeinsam mit der AfD für das Migrationsgesetz der CDU gestimmt und die Hetze gegen Migranten mitgespielt und damit einen Großteil ihrer traditionellen linken Basis verprellt.


Das Scheitern von BSW wird Auswirkungen auf die Debatte um die Militarisierung und die deutschen Kriegsvorbereitungen haben. Der BSW war die einzige verbliebene Partei, die sich klar gegen die NATO und Provokationen gegen Russland und China positionierte. Die neue Führung der LINKEN hat sich von der bisher kritischen Haltung ihrer Partei zur NATO distanziert, Israels angebliches "Recht auf Selbstverteidigung" im besetzten Palästina verteidigt und sich den zentristischen Parteien angeschlossen, um die BSW als "Partei des Kremls" zu verleumden.


Das Fehlen einer starken antimilitaristischen Stimme im Parlament kommt in Deutschland zu einem besonders gefährlichen Zeitpunkt. Die herrschende Klasse des Landes steht auf der Weltbühne vor zahlreichen Herausforderungen: Chinas Aufstieg zu einem immer raffinierteren wirtschaftlichen Rivalen, Russlands Widerstand gegen den westlichen Expansionismus, die Instabilität, die durch Israels Ambitionen in Westasien verursacht wurde, und jetzt die kalte Schulter von der anderen Seite des Atlantiks. Als Reaktion auf diese Entwicklungen kündigte die Vorgängerregierung für 2022 den Beginn einer Zeitenwende an. Ziel ist es, eine Kriegswirtschaft aufzubauen, die in der Lage ist, im "Wettlauf" um den "Zugang zu Rohstoffen, neuen Technologien und globalen Handelswegen" zu konkurrieren, wie Ursula van der Leyen es im Januar 2025 in Davos beschrieb. Nach dieser Logik erfordert die "neue Ära des harten geostrategischen Wettbewerbs" ein starkes, militarisiertes Deutschland. Verteidigungsminister Boris Pistorius, der wahrscheinlich in die Regierung zurückkehren wird, nannte 2029 als das Jahr, bis zu dem Deutschland "kriegsbereit" sein müsse. Die CDU steht geschlossen mit SPD, Grünen und AfD an der Spitze der Militarisierung. Die Wirtschaftskrise soll durch "Wachstum durch Aufrüstung" überwunden werden, wie es das Handelsblatt wenige Tage vor der Wahl formulierte.


Eine Verschiebung zum Keysianismus während des Krieges

Die scheidende Ampel-Koalition (SPD, Grüne, FDP) brach 2024 an unterschiedlichen Auffassungen darüber, wie diese Zeitenwende am besten fortgeführt werden kann. Die Parteien der Mitte haben sich darüber gestritten, ob die aktuellen Herausforderungen eine Revision der 2009 verabschiedeten Null-Schulden-Klausel rechtfertigen. SPD und Grüne sind für eine Schuldenaufnahme, um den Sparkurs abzumildern, der durch die massiven Erhöhungen der Militärausgaben notwendig wird. CDU-Chef Merz hat angedeutet, er sei offen für eine Diskussion über diese Möglichkeit, aber nicht, ob sie genutzt wird, um "noch mehr Geld für Konsum und Sozialprogramme auszugeben". Letztlich verschiebt sich das politische Establishment in Deutschland weg vom austeritätsgetriebenen "neoliberalen" Modell hin zu einer Form des "Kriegs-Keysianismus", um den Herausforderungen der "neuen Ära" gerecht zu werden.


Es ist sehr wahrscheinlich, dass es in Deutschland nun zu einer Rückkehr in die Koalition aus SPD und CDU kommen wird. Doch am Ende des Tages stand das Programm des nächsten Kanzlers schon fest, bevor die neue Regierung überhaupt gebildet wurde. Die AfD bereitet sich derweil an der Seitenlinie darauf vor, eine immer prominentere Position auf der Bühne einzunehmen.


Matthew Read und Max Rodermund sind Forscher in Berlin.


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