29. Oktober 2024 Harald Neuber
Telepolis:
Trump könnte in einer Woche US-Präsident werden. Für die Ampel wäre das ein Super-GAU. Das Problem liegt auch in einem deutschen Ministerium.
In genau einer Woche finden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt - und immer mehr Beobachter halten einen Sieg von Donald Trump für wahrscheinlich. Für die Ampel-Koalition in Deutschland wäre ein solcher Wahlausgang in jeder Hinsicht der größte anzunehmende Unfall, vielleicht sogar ein Super-GAU in seiner außen-, handels- und letztlich innenpolitischen Zerstörungskraft. Schuld daran wäre die Unberechenbarkeit Trumps, vor allem aber ein deutsches Ministerium.
Harris oder Trump: Folgen der US-Wahl für die Weltwirtschaft
Zuletzt krachte es gewaltig zwischen einem Vertrauten von Ex-Präsident Donald Trump und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Auf der Social-Media-Plattform X, ehemals Twitter, lieferten sich Richard Grenell, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland, und Lindner einen hitzigen Schlagabtausch. Auslöser war Lindners Warnung vor einem drohenden Handelskrieg zwischen den USA und der EU, sollte Trump 2024 erneut ins Weiße Haus einziehen.
Sollte Trump wiedergewählt werden, müsse man ihn "davon überzeugen, dass ein Handelskonflikt mit der EU nicht im Interesse der USA ist". Andernfalls müsse man über "Vergeltungsmaßnahmen" nachdenken.
Grenell, der als enger Vertrauter Trumps und möglicher Außenminister einer neuen Regierung des Republikaners gilt, konterte umgehend. Lindner sei "naiv zu glauben", dass deutsche Wirtschaftsvertreter solche Äußerungen unterstützen würden. "Deutsche CEOs haben Präsident Trump und unser Team regelmäßig kontaktiert, um deutlich zu machen, dass sie seine Politik schätzen", schrieb Grenell.
Disput um Handelszölle
Trump hat Zölle von 60 Prozent auf US-Importe aus China und 20 Prozent auf Importe aus anderen Ländern angekündigt – was deutsche Produkte in den USA deutlich verteuern würde.
Grenell sah Wahlbeeinflussung
Grenell sah darin eine "eklatante Wahlbeeinflussung" durch die Bundesregierung, "schlimmer als die russische und iranische". Er drohte: "Wir sehen das sehr deutlich und werden entsprechend reagieren."
Ampel in Zwickmühle
Der Schlagabtausch zeigt: Im aufgeheizten US-Wahlkampf spielt die Bundesregierung eine heikle Rolle. Einerseits muss sie ihre Sorge über eine erratische Handelspolitik unter Trump zum Ausdruck bringen. Andererseits darf sie nicht als Wahlhelfer der Demokraten erscheinen. Dieser Balanceakt erfordert diplomatisches Fingerspitzengefühl – offenbar auf beiden Seiten des Atlantiks.
Und daran mangelt es vor allem im Auswärtigen Amt unter der Grünen-Politikerin Annalena Baerbock. Denn in beiden geschilderten Auseinandersetzungen wird vor allem der eklatante Unterschied in Stil und Inhalt deutlich.
Stilfragen in Social Media
Während Lindner sachlich und inhaltlich kontert, wirkt die Social-Media-Intervention aus Baerbocks Ressort anmaßend. So etwas findet nur der gut, der die Meinung teilt, nicht der Diplomat. Und das ist schwierig für die diplomatische Mission Deutschlands und ihre Chefdiplomatin – die in der kommenden Woche die Folgen ihres Stils zu spüren bekommen könnte.
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