„Jeden Tag werden Menschen sinnlos getötet, jeden Tag wächst die Gefahr einer Eskalation des Krieges“
Frieden schaffen für die Ukraine
Stand:26.09.2023, 15:44 Uhr
Von: Pitt von Bebenburg
Wie kann das gegenseitige Töten in der Ukraine beendet werden?
Darüber soll diskutiert werden bei der Veranstaltung „Frieden schaffen“ am Sonntag, 1. Oktober, im Haus Gallus, Frankenallee 111. Die Tagung beginnt um 10 Uhr und soll gegen 17.45 Uhr enden.
Initiiert wird die Veranstaltung von einer Gruppe, die bereits einen Aufruf mit dem Titel „Frieden schaffen“ veröffentlicht hat. Dahinter stehen der Historiker Peter Brandt, Reiner Braun vom Internationalen Friedensbüro, der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Reiner Hoffmann, und der Bundesvorsitzende der Naturfreunde, Michael Müller. „Jeden Tag werden Menschen sinnlos getötet, jeden Tag wächst die Gefahr einer Eskalation des Krieges“, mahnen sie.
Zu Wort kommen in der Veranstaltung neben anderen der frühere deutsche General Harald Kujat, die ehemalige Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann, die IPPNW-Vorsitzende Angelika Claußen, das ehemalige IG-Metall-Vorstandsmitglied Helga Schwitzer und der US-Ökonom Jeffrey Sachs. Außerdem ist ein Gespräch zwischen Friedensaktivist:innen aus Russland und der Ukraine vorgesehen. Zu den Moderator:innen gehört FR-Autor Claus-Jürgen Göpfert. pit
Anmeldung für Präsenz unter:
anmeldung@frieden-und-zukunft.de
Veranstaltung am 1.10. in Frankfurt a.M.
Veranstaltung
am 1. Oktober 2023 um 10:00 Uhr in Frankfurt Saalbau Gallus
(Organisatorische Hinweise siehe unten)
FRIEDEN SCHAFFEN!
Einleitung
Wir leben in einem „Jahrzehnt der Extreme“. Es ist auch unsere Aufgabe, alles zu tun, dass es nicht katastrophal endet. Die Summe und Parallelität der Krisen sind jedenfalls beängstigend, aber es scheint jedes Verständnis dafür verloren gegangen zu sein, dass uns Menschheitsgefahren bedrohen, die nur gemeinsam zu lösen sind. Das ist eine Frage von Vernunft und Verantwortung.
Es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum der Krieg in der Ukraine schnell gestoppt werden muss. Jeden Tag werden Menschen sinnlos getötet, jeden Tag wächst die Gefahr einer Eskalation des Krieges. Jeden Tag vertieft sich die Spaltung der Welt. Aber wir brauchen eine gemeinsame Zukunft, auch mit Russland, um die großen Herausforderungen zu bewältigen. Wir bekennen uns deshalb zu den Leitideen der Gemeinsamen Sicherheit und der Nachhaltigkeit.
Ziel der Veranstaltung ist es, entsprechend dem Aufruf „Frieden schaffen!“
für diplomatische Initiativen der Bundesregierung einzutreten, um möglichst zusammen mit EU-Partnern und den BRICS-Staaten internationale Vorschläge für einen Waffenstillstand in der Ukraine und für Verhandlungen über eine neue Sicherheitsordnung in Europa zu machen;
für Rüstungskontrolle, Rüstungsbegrenzung und Abrüstung zu werben, gerade angesichts der steigenden Militärausgaben und ihrer dramatischen sozialen und ökologischen Auswirkungen bei uns und weltweit;
für die Leitidee der Gemeinsamen Sicherheit einzutreten, die eng verbunden ist mit den Zielen Nachhaltigkeit und Nord-Süd-Partnerschaft;
die „Europäisierung Europas“ (Willy Brandt) als Friedens- und Entspannungspolitik im Sinn der Charta von Paris mit neuem Leben zu erfüllen;
einen Beitrag zur Stärkung der Friedensbewegung zu leisten: „Frieden von unten“.
Programmablauf
10.00 bis 11.30 Uhr
Eröffnung: Begrüßung und Moderation: Peter Brandt
Grußbotschaft: Reiner Hoffmann (per Video)
Grußworte:
OB Mike Josef für die Stadt Frankfurt am Main
Michael Rudolph, DGB Hessen/Thüringen
Beiträge:
Harald Kujat: Nein zum Ukraine Krieg
Barbara Dieckmann: Globale Auswirkungen des Krieges (soziale Konsequenzen, Ende SDGs, Verschärfung Klimakrise)
Günter Verheugen: Versagt Europa im Ukrainekrieg (online)
Helga Schwitzer: Sozialabbau und Hochrüstung
11.30 bis 12.30 Uhr
Conversation between peace activists from Asya Gagieva (Russia) and Yurii Shereshenko (Ukraine)
Moderiert von Kerstin Kaiser
12.30 bis 13.30 Uhr Pause
13.30 bis 14.15 Uhr
Vortrag:
Jeffrey Sachs No to war – yes to ceasefire and negotiations (online)
14.30 bis 16.00 Uhr
Arbeitsgruppen:
Ukrainekrieg – was können wir für den Frieden tun? Hajo Funke
Globalstrategische Veränderungen – wie muss eine multipolare Welt aussehen? Reiner Braun
Soziale Konsequenzen und Rüstungskonversion – haben wir das im Blick? Michael Ehrhard
Klima und Verteilungskämpfe – Kriege der Zukunft? Michael Müller
16.15 bis 17.45 Uhr Diskussionsrunde: „Handeln für den Frieden“ – was tun, welche Strategie und welche Aktivitäten Rolf Mützenich (angefragt), Reiner Braun, Angelika Claußen, Petra Erler (online), Jürgen Peters Moderation: Claus-Jürgen Göpfert Schlusswort: Michael Müller Logistische Hinweise Veranstaltungsort: Haus Gallus, Frankenallee 111, 60326 Frankfurt, (mit der S-Bahn S3, S4, S5 und S6 eine Station vom Hauptbahnhof stadtauswärts) Bitte anmelden für Präsenz unter anmeldung@frieden-und-zukunft.de Diejenigen, die nur digital teilnehmen, melden sich bitte an unter online@frieden-und-zukunft.de Mit dieser Anmeldung erfolgt eine automatische Bestätigung mit den Zoom-Einwahldaten. Flüsterübersetzung vor Ort für die englischen Beiträge wird angeboten. AKTUELLESALLGEMEIN
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Rede von Prof. Dr. Peter Brandt auf der Auftaktveranstaltung des Ostermarschs in Hamburg am 10. April 2023
Liebe Friedensengagierte! In der Einstellung zum gegenwärtigen Krieg in der Ukraine geht ein Riss durch die deutsche Bevölkerung, der aber in der relativ uniformen veröffentlichen Meinung nicht abgebildet wird. Hier hebt sich die Medienwelt der Bundesrepublik negativ ab von etlichen westlichen Ländern einschließlich der USA, wo die Debatte viel offener geführt wird. Stattdessem erleben wir eine Diffamierung derjenigen, die für Waffenstillstand und Verhandlungsinitiativen eintreten, verbunden mit regelrechter Verfälschung ihrer Positionen und Motive. Doch die Andersdenkenden sind nicht länger gewillt, sich zu ducken. Sie artikulieren ihre Standpunkte vermehrt und in größerer Zahl. Der Krieg ist schon heute eine humanitäre Katastrophe; man schätzt rund 250.000 Tote auf beiden Seiten, hauptsächlich Opfer der militärischen Kämpfe. Die unmittelbare Schuldfrage stellt sich nicht, weil Russland offenkundig der Aggressor ist und die Ukraine, wie immer die Qualität ihrer inneren Ordnung beurteilt wird, hat selbstverständlich ein Recht auf Selbstverteidigung. Ich wiederhole, was ich vor einem Jahr in Frankfurt gesagt habe: Wir fordern die russische Führung auf, ihre sog. Spezialoperation einzustellen und ihre Truppen hinter die Demarkationslinie vom Januar 2022 zurückzuziehen. Jeder Krieg hat aber eine Vorgeschichte und einen weltpolitischen Zusammenhang. Es muss erlaubt sein, auch darüber zu sprechen und zu schreiben, denn wenn man einen stabilen Frieden erreichen will, dürfen diese Umstände nicht übersehen werden. Ja, es gibt eine seit Längerem erkennbare imperiale Komponente in der russischen Außenpolitik wie im Innern eine zunehmend diktatorische Regierungspraxis. Aber daneben existiert – weit über das Putin-Lager hinaus – in Russland der Eindruck, dass die Sicherheitsinteressen des Landes vom Westen und namentlich von den USA seit 1990 mehr und mehr missachtet worden sind. Der hierzulande zu Recht verehrte, im vergangenen Jahr verstorbene Michail Gorbatschow hat wiederholt seine tiefe Enttäuschung darüber geäußert. Man kann doch nicht allen Ernstes die eingetretene Verschiebung der militärischen Kräfteverhältnisse schon durch die Ausdehnung der bundesdeutschen NATO-Mitgliedschaft auf die neuen östlichen Bundesländer und dann vor allem durch mehrere Stufen der NATO-Osterweiterung den Russen dadurch schön reden, dass auf dieser Seite die Guten stünden, die nichts Böses im Schilde führten, deshalb niemanden bedrohten! Daran ändert auch der Wunsch der politischen Führungen und großenteils der Völker des östlichen Mitteleuropas und Südosteuropas nichts, dem westlichen Bündnis anzugehören, was erklärbar und nachvollziehbar ist aus der historischen Erfahrung der sowjetischen Vorherrschaft nach 1945. Wie verbindlich die Versprechungen von 1990 waren, mit der NATO nicht über die Oder weiter gen Osten vorzurücken – „not one inch“, wie der damalige US-Außenminister Baker mündlich zusagte -, ist gegenüber der simplen Tatsache zweitrangig, dass die NATO nun am Bug steht und mit den baltischen Staaten dann sogar frühere Sowjetrepubliken aufgenommen worden sind. Und 2008 folgte dann sogar der grundsätzliche, wenn auch in eine unbestimmte Zukunft verschobene Beschluss, Georgien und die Ukraine aufzunehmen. Stattdessem hatte die gesamteuropäische Charta von Paris vom November 1990 einen anderen Weg, den der Abrüstung, friedlichen Zusammenarbeit und Überwindung der Militärbündnisse, avisiert. Alles das liefert keineswegs eine Rechtfertigung für das russische Vorgehen im vorangegangenen Jahrzehnt, namentlich seit Februar des vergangenen Jahres, aber die angedeutete Vorgeschichte (und ebenso die innerukrainische Vorgeschichte) gehört dazu, um das heutige Geschehen zu verstehen. Die NATO dient von ihrer Gründung 1949 an eben nicht nur der Sicherung europäischer Staaten gegen die große Macht im Osten – und darüber hinaus, nicht zu vergessen, der Einbindung des deutschen Potentials –, sondern ist maßgeblich auch ein Instrument amerikanischer Hegemonie und amerikanischer Weltpolitik. Das gilt umso mehr als der NATO zunehmend eine globale Rolle zugeschrieben wird. Im Hintergrund steht der Konflikt der USA mit der aufkommenden Supermacht China. Die Welt braucht ein eigenständiges Europa, das sich kooperativ um die Lösung der existentiellen globalen Probleme bemüht, unter welchen die sich abzeichnende Umweltkatastrophe an erster Stelle steht. Der Krieg in der Ukraine droht alle Anstrengungen zur Rettung der Menschheit auf unserem Planeten zunichte zu machen und birgt die ständige Gefahr der Eskalation zum Dritten Weltkrieg. Es liegt im elementaren Interesse Deutschlands und EU-Europas, schnellstmöglich zu einem Waffenstillstand und dann zum Frieden zu kommen. Gewiss nicht um jeden Preis. Aber stabil – und somit den Weg bahnend für eine neue Ära der Entspannung und Zusammenarbeit – wird eine Friedenslösung nur dann sein, wenn sie die Lebens- und Sicherheitsinteressen beider Kriegsgegner wie auch der mittelbar Beteiligten berücksichtigt. Längerfristig steht mit dem in den 1980er Jahren entwickelten Gedanken der strukturellen Nichtangriffsfähigkeit von Armeen und der Gemeinsamen Sicherheit von Staaten ein Konzept zur Verfügung, dessen Realisierung – solange eine allseitige vollständige Abrüstung nicht realisierbar ist – verspricht, Überraschungsangriffe unmöglich zu machen. Hier haben Sicherheitsexperten und dann auch hohe Militärs beider Seiten mehr als Vor- Arbeit geleistet – das begann in den frühen 1980er Jahren auf einem damaligen erneuten Höhepunkt der Spannungen zwischen den noch fest gefügten Blöcken. Auch heute besteht ein Zwang zum Wagnis – und wie damals die große Friedensbewegung in West und Ost, die sich von der lähmenden Bocklogik frei machte, die Bemühungen der Vordenker flankierte und vorantrieb, wollen wir den Experten Beine machen. Ein wichtiger Teil der Propaganda auch in unserem Teil der Welt ist die Ideologisierung der Konflikte zwischen Staaten und Staatengruppen: „Freiheit und Demokratie“ versus „Autoritarismus“. Die Unterschiede innerhalb beider gemeinter Kategorien sind aber ganz erheblich – abgesehen davon, dass sich manche autoritären Systeme offenbar gut einfügen lassen in die sog. Freie Welt, nämlich wenn sie als Verbündete oder Partner nützlich sind. Es ist eben nicht wahr, dass repräsentative Demokratien mit kapitalistischer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung aus ihrem Wesen heraus friedlich agieren. Großbritannien, die Supermacht des 19. Jahrhunderts, hat seine lange herausragende Position nicht allein durch friedlich geschlossene Verträge erzielt und verteidigt – und die innere wie äußere Expansionsgeschichte der USA seit ihrer Gründung ist eine einzige Folge von blutigen Eroberungen einschließlich des Genozids an den Ureinwohnern und brutalem Rassismus. Liebe Freundinnen und Freunde! Ich gehöre zu einer Altersgruppe, für die – obwohl erst in den unmittelbaren Nachkriegsjahren geboren – der Zweite Weltkrieg noch ständig präsent war: nicht nur die sichtbaren Ruinen zeugten davon; durch die Erzählungen aus der Elterngeneration war dieser in der Endphase auch für Deutschland verheerende Krieg fast ständig präsent. Die Kriegsteilnehmer und als Zivilisten Beiteiligten waren auch in unserem Jugend- und jungen Erwachsenenalter noch nicht alt – die Alten hatten im Ersten Weltkrieg gekämpft. Als Kind von zehn bis dreizehn Jahren habe ich 1958 bis 1962 die Berliner Krise und den Mauerbau und dann als immerhin Vierzehnjähriger im Oktober 1962 die extrem gefährliche Kuba-Krise sehr bewusst erlebt, deren friedliche und auf Kompromiss beruhende Lösung die Übergangsphase zur Entspannung zwischen den Weltmächten und den Paktsystemen einleitete. Die Menschen weltweit haben damals einige Tage tief in den Abgrund geblickt. Wenn ich den heutigen Irrsinn, nicht nur den Krieg im Osten Europas, in den Blick nehme, dann denke ich an meine längst erwachsenen Kinder und mehr noch an die Enkel – und ich hoffe inständig, dass wir alle dafür sorgen können, dass sie die älteren Generationen eines Tages nicht so verfluchen, wie es hierzulande manche von uns heute Älteren aus den bekannten Gründen in den 1960er und 70er Jahren getan haben.
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